• Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Gärten in der Bretagne

In Rennes gibt es einen Botanischen Garten, im Parc du Thabor. Ein bisschen abseits der Altstadt, ein bisschen bergauf… Christian war nicht sehr glücklich mit meiner Idee. Kaum hatten wir den Park betreten, flüchtete er zum Eisstand und anschließend auf eine Schattenbank und war nicht mehr bereit, auch nur einen Schritt Richtung Botanischen Garten zu machen. Also erforschte ich den ziemlich großen Park alleine und kam im hintersten Bereich zu den Sammlungen. Angelegt sind die Pflanzenfamilien in einem großen Kreis, das Ganze sieht ein wenig wie ein Geduldsspiel aus meiner Kindheit aus, wo man die Kugel durch viele verschiedene Kreise in die Mitte schubsen musste. Beschilderungen gibt es viele, leider auch viele leere Beete dazu. Fast alle sind von Unkraut überwuchert, was schade ist, denn die Anlage wäre wirklich nett. Rundherum stehen die prächtigsten Dahlien, die ich in meinem Leben gesehen habe. Eine einsame Gärtnerin schnitt Verblühtes aus. Kein Wunder, dass alles ungepflegt aussieht. Ganz großartig ist die Umgebung, prachtvolle Stadtvillen umrahmen den Park, in dem herrliche alte Bäume stehen.

Skeptisch war mein Mann auch, als ich ihn zum Château La Roche-Jagu schleppte. Schon wieder ein Garten?! Noch dazu mittelalterlich, darunter konnte er sich gar nichts vorstellen. Ich mir auch nicht, muss ich gestehen, aber ich wollte das unbedingt sehen, ist das Internet doch voll von begeisterten Bewertungen. Im ersten Moment war ich erschrocken, alles dürr und braun in den quadratischen Beeten. Doch bald war ich von den liebevollen Details gefesselt, kluge Zitate auf Schiefertafeln zwischen den Pflanzen, skurrile Weidengeflechte, ungewöhnliche Pflanzenkombinationen, Apfelbäume als niedrige Einfassung gezogen. Ich begriff, dass auf künstliche Bewässerung völlig verzichtet wird und der Herbst dadurch viel früher Einzug hält. In einer Streuobstwiese wird die Wiese nicht geschnitten, im Plan ist der Obstgarten als Insektenparadies ausgeschildert. Je länger ich in den Carrées herumging, desto mehr entdeckte ich. Schließlich stellte ich mir die Gärten im Mai, Juni vor, wenn tatsächlich alles blüht. Das muss ja wirklich atemberaubend sein. Leider suchte ich den ausgeschilderten mediterranen Garten vergeblich: Auf der Terrasse, wo er eigentlich sein müsste, sind wildschöne Blumenwiesen. In einem aktuellen Folder des Schlosses ist er gar nicht mehr aufgelistet, wahrscheinlich war seine Erhaltung zu aufwändig. Christian filmte und filmte und stimmte mir schließlich zu, dass der Ausflug durchaus lohnend war.

Auch wenn sich Christian nach seiner Hüftoperation Gott sei Dank wieder völlig normal bewegen kann, ein Wanderer wird er in diesem Leben nicht mehr. Der Gedanke, für einen exotischen Garten auf der Île de Batz 1,5 km zu hatschen, „z’widerte“ ihn richtig an. Meinen säuerlichen Vorschlag, in einem Café auf mich zu warten, wollte er dann doch nicht annehmen und machte sich gottergeben mit mir auf den Weg. Im Nachhinein bedankte er sich reumütig bei mir. Denn der exotische Jardin Georges Delaselle am Ostende der Insel Batz ist ein idyllisches Kleinod (wobei die gesamte Insel ein idyllisches Kleinod ist) und jeden Umweg wert.

Georges Delaselle wurde 1861 in Paris geboren. Er machte eine erfolgreiche Karriere als Versicherungsagent, doch berühmt wurde er für seinen Garten. 1897 lud ihn ein Freund auf die Insel Batz ein und das milde Klima und die Schönheit der Landschaft veränderten schlagartig sein Leben. Er kaufte Land und beschloss, einen Garten zu schaffen. Auf zahlreichen Reisen in die ganze Welt sammelte er Pflanzen. Um seine Schätze vor den kalten Winterwinden zu schützen, ließ er die Dünen rundherum aufschütten und mit Bäumen bepflanzen. 1918 gab er seinen Beruf auf und widmete sich fortan ausschließlich seinem Garten. Krankheitsbedingt (er hatte Tuberkulose) musste er sein Werk 1937 verkaufen, er starb 1944 in seinem Haus auf der Île de Batz. Nach vielen Jahren wechselnder Besitzer und dem damit verbundenen Niedergang des Gartens gründete sich 1987 die Gesellschaft der Freunde des Gartens Georges Delaselle und mit Unterstützung des Conservatoire du Littoral (etwas Ähnliches wie der National Trust in GB) wurde die ursprüngliche Schönheit des Gartens wiederhergestellt. Mittlerweile ist er in öffentlichem Besitz.

Der Garten ist eine liebevolle Sammlung aus allen Kontinenten. Südafrikanische Pflanzen reihen sich neben australische Besonderheiten, ein Palmenhain, ein Kakteengarten, ein Gräsergarten – man wird mit dem Schauen nicht fertig. Einige wenige Kunstwerke runden das Bild ab. Verschlungene Wege führen durch das Gelände. Nein, führen ist nicht das richtige Wort, tatsächlich verliert man sich in dem Gewirr von Wegen, Treppen, Lichtungen, Abkürzungen… Ich bin dreimal einer Frau mit Hund begegnet, die den Ausgang gesucht hat und jedes Mal falsch abgebogen ist. Als ich Christian nach zwei Stunden wieder traf (das ist unsere übliche Vorgehensweise, er geht filmen, ich gehe schauen und fotografieren), mussten wir feststellen, dass wir jeder Plätze gesehen hatten, die der andere nicht entdeckt hat – obwohl wir gefühlt jeden Weg abgegangen sind.

Abgesehen davon, dass ich mir nach diesem Garten keine Steigerung mehr vorstellen kann, mussten wir weitere Gartenbesuche für diesen Urlaub streichen. Zu umständlich, zu anstrengend sind die Fahrten. Für eine Strecke von lächerlichen 37 km veranschlagt das Navi 44 Minuten, letztendlich brauchen wir über eine Stunde mit den unendlich vielen Kreisverkehren und Tempo 30-Zonen (die man besser einhält, sonst hebt man bei jedem erhöhten Zebrastreifen ab). Entfernungen über 50 km machen keinen Spaß mehr und wir sind schließlich auf Urlaub. Also sooo fanatisch bin ich doch gar nicht, oder?

Eure Flora

Schreibe einen Kommentar