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Marillenmarmelade

Im Freundeskreis heißt sie nur „Christians Beste“. Zu meinem großen Leidwesen bin nicht ich damit gemeint, sondern die unvergleichliche Marillenmarmelade meines Mannes. Dass Christian zur Gartenarbeit keine große Affinität hat, hingegen zu Allem, was mit Küche und Keller zu tun hat, habe ich ja schon mehrmals angedeutet. Und so schlägt jedes Jahr zur Marillenernte seine große Stunde.

Leider kann man die Marillenernte schlecht timen. Vor allem mit urlaubsbedingter Abwesenheit muss man großräumig ausweichen. Zwei Jahre hintereinander ist es uns passiert, dass wir justament in den drei Wochen nicht da waren, als die Marillen vom Baum fielen. Einmal haben sie sich verspätet, das nächste Jahr waren sie drei Wochen zu früh dran. Versuche, Freunde und Bekannte aus der Ferne in den Garten zu dirigieren, dass sie sich ausnahmsweise statt der fertigen Marmelade einmal das Rohprodukt holen und ihre eigene Küche versauen, scheiterten am Unverständnis der Menschen den heiklen Diven gegenüber. Die warten nämlich nicht, bis jemand nächste Woche irgendwann einmal Zeit hat, die plumpsen jetzt und sofort runter, wenn sie reif genug sind. Und einen halben Tag später beginnt die Druckstelle zu faulen, Geruch wie in einer Schnapsbrennerei liegt in der Luft, die Wespen kommen und die Nachbarn regen sich auf…

Heuer sind wir vor Ort, der alte Herr trägt nach zwei Jahren Pause wieder wie verrückt und wir klauben unsere Marillen selber auf. Das heißt, ICH klaube sie auf (Gartenarbeit!) und mein Mann schnippelt sie zurecht und kocht sie ein. Nach seinem Rezept wurde er schon oft gefragt, weil seine Marmelade wirklich unglaublich gut ist. Es gibt keine Geheimzutat, keine außergewöhnliche Marillensorte (ich habe eine schlichte „Ungarische Beste“), keinen besonderen Kochvorgang. Die Marmelade ist einfach nur zu 100% aus Fallobst gemacht. Nicht, dass ich zu faul wäre, auf die Leiter zu steigen, aber es lohnt nicht die Mühe. Die schönsten Früchte sind sowieso immer außer Reichweite und für jede Marille, die ich brocke, fallen drei andere ab, egal wie vorsichtig ich hingreife. Am Ende ist erst wieder der Großteil Fallobst, also lasse ich es gleich. Es ist eine Menge Arbeit, jede Frucht zu waschen, all die schlechten Stellen auszuschneiden und Früchte mit hässlichen Schalenfehlern (nix Giftiges, nur ein alter Baum) abzuziehen. Ich bewundere meinen Mann immer wieder, in welchem Affentempo er Kilo um Kilo bewältigt, ich würde verzweifeln. Aber genau das ist das Geheimnis, sonnenwarme, vollreife Früchte und der Geschmack kommt von selbst. Entsprechend viel Lob heimst Christian für seine „Beste“ ein.

Niemand erwartet bei Einladungen einen Blumenstrauß von uns, ein Glas Marillenmarmelade ist unseren Freunden viel lieber. Manche bestellen gleich größere Mengen und zahlen den Gelierzucker (das mit dem Abholen der Marillen zum Selbermachen klappt nie!). Einige löffeln die Köstlichkeit direkt aus dem Glas. Die Gläser werden mit Namen beschriftet, damit in der Familie kein Streit entsteht. In großen Mengen exportieren wir die Marmelade in die Steiermark zu Freunden, die ein Gasthaus betreiben. Sie haben uns erzählt, dass ihr Umsatz an Marmeladepalatschinken signifikant sinkt, wenn unsere Marmelade zu Ende ist.

Christian schimpft zwar immer über die „gelbe Sch…“, aber wenn nach zwei, drei Wochen alles eingekocht ist, platzt er vor Stolz über sein Werk. Er führt Buch, wie viele Kilogramm er verarbeitet hat und es sind immer zumindest 100 kg. Der Rekord waren einmal 250 Gläser, das war das Jahr, als wir bei 300 kg Früchten aufgehört haben zu zählen. (Das ganze Jahr über sammeln wir Gläser mit Schraubverschluss, bis sie überall im Weg herumstehen.) Bei diesen Größenordnungen wird schnell klar, dass wir uns mit anderen Verarbeitungsmöglichkeiten gar nicht aufhalten können. Für ein Blech Kuchen braucht man ja höchstens 20 Marillen! Dabei verarbeiten wir gar nicht alle Früchte selbst, ich habe etliche Nachbarn in der Anlage, an die ich die Marillen großzügig verteile. An starken Tagen schafft es ja nicht einmal Christian, mit der Flut fertig zu werden und am nächsten Tag ist die Hälfte verdorben.

Ja, es ist ein enormer Aufwand und die Küche ist trotz allem Putzen noch wochenlang klebrig. Ja, man könnte das Zuviel an Früchten auch einfach in die Biotonne schmeißen. Man, aber ich nicht, wir nicht. Und schließlich sind die aufgereihten Gläser bei aller Arbeit eine große Befriedigung. Und unsere Freunde können es kaum erwarten: „Gibt’s heuer wieder Marillenmarmelade?“

Eure Flora

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