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Schleimig schmatzende Schädlinge

Welches Kind findet eine Schnecke nicht faszinierend? In jedem Kinderbuch kommen sie putzig gezeichnet vor, es wird erklärt, dass sie ihre Augen auf Stielen und ihre Häuser auf dem Rücken tragen und sich bei Gefahr einfach an Ort und Stelle verstecken können. Auch ich habe mit Begeisterung Schnecken beobachtet, habe sie mit Blättern gekitzelt und Rückzug und vorsichtiges Wiederauftauchen verfolgt und mich gewundert, wie man mit so viel Langsamkeit auch ans Ziel kommt. Leere Häuschen habe ich gesammelt und in meiner „Schatzkiste“ aufbewahrt. Es waren auch Schätze, denn Schnecken waren in unserem Garten selten und Salat und Dahlien führten ein sorgenfreies Leben. Die gute alte Zeit!

Irgendwann haben sich die Schnecken dann unbotmäßig vermehrt und wurden zur Plage. Nacktschnecken, die es in meiner Kindheit kaum gab (und die auch in Kinderbüchern nicht vorkommen), tauchten auf und begannen, meine Beete zu verwüsten. Geliebte Pflanzen aus meiner Kindheit wie Dahlien, Studentenblumen und Sonnenblumen wurden zu gefährdeten Arten. Einmal kaufte ich eine prächtige Dahlie, schon blühend und gut 40 cm hoch. In diesem ausgewachsenen Zustand, dachte ich, wird sie den Schnecken nicht mehr schmecken und setzte sie auf den schönsten Platz. Als ich zwei Tage später in den Garten kam, war sie – weg, bodennahe abgefräst. Sie erholte sich natürlich nie wieder und das war meine letzte Dahlie, obwohl ich für die herrlich altmodischen Stauden am liebsten ein eigenes Beet anlegen würde. Ab diesem Ereignis gab es für mich zwei Sorten Schnecken: die bösen, bösen Nacktschnecken und die guten, guten Gehäuseschnecken, deren Anblick liebe Kindheitserinnerungen weckt.

Mit Befriedigung las ich in diversen Gartenratgebern, dass die Gehäuseschnecken für meine Pflanzen harmlos sind und es lediglich gilt, die gefräßigen Nacktschnecken zu bekämpfen. Also absammeln, zerschneiden, mit kochendem Wasser übergießen, das Klo runterspülen – alles ausprobiert, eines ekliger als das andere und schlechtes Gewissen verursachend. Auch wenn ich die Viecher widerlich und ihren Appetit unverschämt finde, habe ich doch gewaltige Hemmungen, ein Geschöpf Gottes, das sich frühmorgens fröhlich und sattgemampft durch die Wiese schleimt, um sich ins Dickicht des Staudenbeets zu einem Verdauungsschläfchen zurückzuziehen, ums Leben zu bringen. In letzter Zeit habe ich mich intensiv mit dem Thema Naturgarten auseinandergesetzt und zu meinem Entsetzen festgestellt, dass auch das biologische Schneckenkorn, das ich in meiner Hilflosigkeit ausgestreut habe (zum Sterben verkriechen sich die Schnecken und ich sehe sie nie wieder) als unzulässiges Gift eingestuft ist, weil es in den biologischen Kreislauf der Natur eingreift und Schnecken hier ja auch ihren Platz und ihre Aufgabe (nämlich tote Pflanzenreste zu beseitigen, nur schmecken die lebenden halt besser) haben.

Heuer hat sich die Situation weiter verschärft. Es sind nicht mehr nur die erstaunlich wenigen Nacktschnecken, die alles abraspeln, sondern vor allem die omnipräsenten Weinbergschnecken, die an fast jeder Pflanze ihre schleimigen Spuren hinterlassen. Und zwar in einem bedrohlichen Ausmaß, das mir das Setzen neuer Pflanzen erschwert und verleidet. Bei jedem Neukauf frage ich zuerst nach Schneckenresistenz, dann nach Trockenheitsresistenz und schließlich nach Insektenfreundlichkeit – die Auswahl wird immer geringer, kein Wunder, dass in jedem Naturgartenratgeber dieselben heimischen Wildpflanzen stehen (die ich bis auf die Wilde Karde eh schon alle habe). Wobei sich die Schnecken nicht an die althergebrachten Weisheiten halten, meine Biester vergreifen sich auch an Zwiebeln, Chilis und Ringelblumen!

Also habe ich beschlossen, nächstes Jahr auch gegen die Weinbergschnecken vorzugehen. Das Absammeln gestaltet sich dank der Häuser etwas appetitlicher (wenn sie sich auch manchmal mit enormen Kräften am Untergrund festhalten), aber dann bin ich mit meiner Weisheit am Ende. Ich habe schon drei Antischneckenratgeber gelesen, alle enden mit dem Rat „absammeln“. Und was mache ich täglich mit einem Kübel voller Schnecken? Deckel drauf und warten, bis sie sich gegenseitig gefressen haben (Pfui Teufel)? Zerstampfen oder abkochen und auf den Kompost (damit noch mehr kommen?)? In der Natur aussetzen? Das klingt noch am besten, aber wo? Ich könnte zur Liesing gehen, die ist zu Fuß zu erreichen und doch weit genug weg, aber sehr beliebt bei Hundebesitzern und die würden mich wohl sehr blöd anschauen, wenn ich täglich meinen Kübel auskippe. Und Gärten sind auch rundherum, puh, vergiss es! Ins Auto setzen und ab in den Wienerwald? Ökologisch nicht sehr sinnvoll. Bei Schneckenrezepten droht mein Mann mit Scheidung.

Ich habe ja noch den ganzen Winter zum Nachdenken. Und zwei Erdkröten, die sich des Problems hoffentlich annehmen. Mindestens hundert künftige Schnecken habe ich in Form von Gelegen unter den Terrassenfliesen bereits vernichtet. Vielleicht zieht doch noch ein Igel bei mir ein. Oder nächstes Jahr ist gar kein Schneckenjahr. Schlimmstenfalls bleibt mir noch ein Gedicht aus der Volksschule, das wir zum Welttierschutztag auswendig lernen mussten (schon wieder die gute alte Zeit!):

Ob nützlich, ob schädlich,
ob hässlich, ob schön,
mit den Augen des Schöpfers
musst die Tiere du seh’n.

So wie ER sie geschaffen
in all ihrer Pracht,
so musst du sie lieben
mit all deiner Macht.

Eure Flora

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