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Wohnzimmer

Was macht man mit einem Wohnzimmer? Man wälzt Möbelhauskataloge, richtet es nach eigenem Geschmack, Funktionalität und finanziellen Mitteln ein, stellt nach persönlicher Vorliebe mehr oder weniger Dekoelemente hinein. Und dann? Dann bemüht man sich, den Status quo aufrecht zu erhalten, räumt auf, staubt ab und saugt den Boden.

Was macht man mit einem Garten? Man wälzt Gartenkataloge, richtet ihn nach eigenem Geschmack, Funktionalität und finanziellen Mitteln ein, pflanzt nach persönlicher Vorliebe mehr oder weniger Sträucher, Stauden und Rasen. Und dann? Dann übernimmt die Natur das Regiment, Pflanzen wachsen nach Plan oder auch nicht (wir nennen das wuchern oder verkümmern), verändern im Laufe des Jahres ihr Erscheinungsbild, blühen und verwelken, treiben aus und verlieren ihr Laub, Lichtverhältnisse ändern sich, Tiere kommen, bestäuben unsere Obstbäume oder fressen deren Blätter, graben Löcher und wohnen im Kompost, stürzen sich auf Insekten oder Blumenzwiebeln (oder wie unser Fuchs auf Lederschuhe), Unkraut breitet sich aus, Pilzkrankheiten kommen (oft) und gehen (selten)… Und Gärtner und Gärtnerin schauen staunend zu, beobachten und bewundern das lebendige Treiben.

Manchmal denke ich, ich bin die Einzige, die staunt und bewundert. Gerade im Herbst wird deutlich, dass viele Gartenbesitzer (ich fürchte sogar die meisten) den Unterschied zwischen einem Wohnzimmer und einem Garten nicht sehen (wollen) und besessen davon sind, Ordnung zu schaffen. Da wird geputzt und gekehrt, geschrubbt und entsorgt, dass die Scheibtruhen krachen. Die Hecken werden noch einmal zurechtgestutzt, jedes Blättchen muss vom Boden weichen, jeder Stängel wird ordentlich abgeschnitten, die Grashalme gehen frisiert und herbstgedüngt in die Winterruhe. Besonders Eifrige leeren schon ihre noch blühenden Balkonkistchen. Ein Nachbar kann es gar nicht erwarten, bis alle Blätter von seinem Kirschbaum abgefallen sind, klettert auf die Leiter und schüttelt und zupft (das ist kein Witz!). Die Biotonnen gehen über, denn Komposthaufen haben die wenigsten. Die Zaungespräche drehen sich um die viele, viele Arbeit im Herbst und um gute und schlechte Pflanzen. Die schlechten, das sind die, die „Mist machen“. Also alles, was Blüten und Blätter verliert. Leute, das ist ein Stück Natur! Das lebt! (Obwohl ich mir bei manchen Swimmingpool-Rasen-Kirschlorbeer-Einöden nicht sicher bin.) Dass im Radio und im Fernsehen, im Internet und in jeder Gartenzeitschrift (und den „Österreichischen Kleingärtner“ kriegt jeder nach Hause geschickt!) ständig propagiert wird, über den Winter alles stehen und liegen zu lassen, damit Tiere ein Winterquartier haben und die Nährstoffe zurück in den Boden wandern, hören und lesen sie nicht oder es stört ihren Ordnungssinn.

Im Garten sind Eingriffe nötig, keine Frage. Auch ich schneide meine Sträucher, jäte Unkraut, entferne im Herbst das Laub von der Wiese und versetze Pflanzen, wenn ihnen oder mir ein Standort nicht zusagt. Das unterscheidet einen Garten von einer Wildnis, ja, der Wille und die Ideen des Gärtners machen einen Garten aus. Aber Pflanzen sind keine Dekos, die man putzt und in ein anderes Eck stellt. Sträucher sind keine Möbel, die man abstaubt und unter denen man hervorkehrt. Ein Beet ist kein Parkettboden, den man saugt und aufwäscht. Ein Garten ist definitiv kein Wohnzimmer. Bitte lasst ihn leben.

Eure Flora

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