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Der Garten meiner Großeltern

Wie schon ein paar Mal erwähnt bin ich nicht die erste Generation in meiner Familie, die gärtnert. Meine Großmutter mütterlicherseits, von der ich den Garten letztendlich übernommen habe, baute Gemüse und Obst an. Körbeweise schleppte sie Anfang der 60er Jahre Fisolen, Salat, Marillen, Stachelbeeren, Äpfel, Birnen und Erdbeeren vom 23. in den 10. Bezirk (zu Fuß, ein Straßenbahnfahrschein war eine unnötige Ausgabe!) und verkaufte sie an eine Greißlerin am Friesenplatz, wo sie wohnte. So besserte sie sich ihre kümmerliche Pension auf. Übrigens sagte damals niemand Erdbeeren, das waren Ananas. Als Erdbeeren wurden lediglich die Walderdbeeren bezeichnet, „richtige“ Ananas gab es noch gar nicht. Als sie später als sonntägliche Nachspeise aus der Dose, garniert mit Schlagobers und einer Cocktailkirsche, Einzug hielten, nannte man sie zur Unterscheidung „Hawaii-Ananas“. Und die Stachelbeeren, die damals noch keinen Stachelbeermehltau kannten, hießen Ågråseln.

Aber das wollte ich ja gar nicht erzählen. Auch meine Großeltern väterlicherseits, beide aus Bauernfamilien im Tullnerfeld stammend, hatten einen Garten. Dieser Garten war in der Grenzackerstraße, die damals noch Grenzackergasse hieß, weil so groß war sie nicht. In meiner Erinnerung war der Garten riesig, aber ich war auch noch ein kleines Kind. Zur Straße hin war er mit einer Ligusterhecke abgeschirmt, es gab aber eine Lücke wie ein kleines Schildhäuschen, in der ich oft stand und auf ein Auto wartete. Das kleine Holzhaus sehe ich noch vor mir, ebenso die geraden Blumenrabatten, die vom Gartentor zum Haus führten. Und ich habe immer noch den Geruch des Plumpsklos in der Nase, vor dem mir schrecklich ekelte. Hinter dem Haus stand ein „Ringlottenbaum“ mit süßen, weichen, saftigen Früchten. Ein Obst, das es sonst nirgendwo gab und an das ich eine verklärte Erinnerung habe. Erst als Erwachsene wurde mir klar, dass der richtige Name „Reineclauden“ lautet, und später kamen sie als „Kriacherln“ in Mode. Das dürfte jedoch kein niederösterreichisches Wort sein.

Meine Großmutter hatte zehn Geschwister, mein Großvater acht und sie waren die einzigen mit einem Garten in Wien. Kein Wunder, dass bei Schönwetter jeden Sonntag Familientreff angesagt war, an Großtanten und -onkeln gab es keinen Mangel. Auf einem Spirituskocher wurde Kaffee gemacht, selbst gebackener Kuchen war Ehrensache und danach wuschen die Frauen gemeinsam ab. Ich war weit und breit das einzige Kind, aber langweilig war mir nie. Im Nachbargarten gab es einen Buben, der ein bisschen älter war als ich und der sich gerne mit mir abgab. Er hieß Michi und war wohl mein erster Schwarm. Meistens spielten wir Cowboy und Indianer, wobei mir stets die Rolle der Indianerleiche zufiel. Sehr zufrieden war er aber nicht mit mir, ich starb nicht theatralisch genug. In Michis Garten stand auch eine Schaukel aus selbst zusammengeschweißten Rohren, die ich innig liebte. Musste ich aufs Klo, kletterte ich durch den Gartenzaun zu meinen Großeltern, auch wenn mir Michi immer wieder sagte, dass sie auch ein Klo hätten. Nein danke, wenn schon Plumpsklo, dann wenigstens bei meiner Familie.

links oben: sonntäglicher Familientreff
links unten: meine Mutter, meine Großeltern und die Gemüsebeete meiner Großmutter
oben: Ja, wer ist denn da?
rechts: Der Ribiselwein meines Großvaters war legendär (und berüchtigt).

Die Idylle fand ein jähes Ende. 1969 wurde die große Hängebrücke über die Grenzackergasse gebaut und meine Großeltern wurden „abgesiedelt“. Welche Katastrophe das für die Familie gewesen sein musste, begriff ich mit meinen sieben Jahren freilich nicht, für mich war der Abbau des Holzhauses nur spannend. Es wurde Brett für Brett abgetragen und in der benachbarten Gartenanlage, die mehr Glück gehabt hatte, wieder aufgestellt. Es beeindruckte mich gewaltig, als mir mein Vater erzählte, dass mein Opa das Haus verkauft hatte. Die Spindelobstbäume erbte meine Mutter für den Garten, Winteräpfel und Winterbirnen, die uns noch viele Jahre versorgten (siehe „Obst ist gesund„). Außerdem rettete meine Mutter die Pfingstrosen, die noch immer in meinem Garten stehen, eine niedrige Hundspfingstrose und edlere Exemplare mit rosa und weißen Blüten. Erst letzten Herbst habe ich sie in den Bauerngarten umgepflanzt, wo sie schließlich hingehören. Wir erbten auch die hölzernen Liegestühle, robust, standfest und mit heutigen Leichtgewichten nicht zu vergleichen. Vom Nachbarn kaufte mein Vater die Schaukel und betonierte sie in unserer Wiese ein.

Ich habe mich sehr gefreut, als unter dem Marillenbaum ein Ligusterstrauch wild aufgegangen ist. Zusammen mit einer Heckenrose und einem Cotoneaster ziehe ich ihn als Sichtschutz am Zaun hoch. Die Nachbarin rümpfte zwar die Nase über den „gewöhnlichen“ Strauch, aber sie hat ja auch nicht meine Kindheitserinnerungen. Ja, so ein Garten ist schon was Schönes…

Eure Flora

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