Gärtner stalken
So nennt es mein Mann mit Augenzwinkern, wenn ich mich in den Botanischen Garten aufmache. Ich habe schon erwähnt, dass die Anlage der Universität Wien im 3. Bezirk mein Ersatzgarten im Winter ist, liegt sie doch keine Viertelstunde Gehzeit von meiner Wohnung entfernt. Das Sommergesicht des Botanischen Gartens kenne ich nicht, obwohl ich es mir Jahr für Jahr vornehme, einmal von meinem eigenen Garten „in die Stadt“ reinzufahren. Doch entweder ist dann so viel im Garten zu tun oder es ist zu heiß oder wir bekommen Besuch oder oder oder – und schon ist wieder eine Gartensaison um und ich war wieder nicht im Botanischen Garten. So wie heuer.
Was nun die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Botanischen Gartens betrifft – ich liebe es, den Profis bei der Arbeit zuzusehen und ihre Tätigkeiten mit meinen eigenen zu vergleichen. Dann ergibt sich eben die eine oder andere Frage oder Bemerkung und so kommen wir meist ein bisschen ins Plaudern, was Christian zu seinem spöttischen Grinsen veranlasst. Lästig will ich niemandem sein, mir kommt es eher vor, dass sich die Leute freuen, wenn ich mich für ihre Arbeit interessiere (wer nicht?) und sie geben gerne den einen oder anderen Tipp. In Zukunft werde ich meinem Mann meine neuesten Erkenntnisse nicht mehr erzählen, er hört ja eh nur mit einem halben Ohr zu. Ätsch.
Höchst befriedigend finde ich es, wenn ich feststelle, dass die richtigen Gärtner auch nur mit Wasser kochen. So im letzten Frühjahr, als ich einer Gärtnerin beim Jäten eines Beetes zuschaute. Es sah entsetzlich langsam und mühevoll aus, wie sie jedes Unkrautwurzelchen aus der Erde fitzelte. Obwohl es sich um ein kleines Beet handelte, war sie nach einer halben Stunde noch immer nicht fertig, was mich freute. Denke ich doch immer bei der Gartenarbeit, dass ich viel zu umständlich herumpuzzle, wenn ich nach mehreren Stunden Arbeit das Ergebnis betrachte. Ich sprach die Gärtnerin darauf an und sie antwortete freundlich: „Ja, wenn es gut sein soll, dauert es halt. Ich will ja nicht schon nächste Woche wieder jäten.“ Wir plauderten noch ein wenig über den meditativen Charakter des Unkrautjätens und dann zog ich weiter.
Neulich stand ich verwundert da, als ich einer Gärtnerin beim Abschneiden des Pfeifengrases zusah. Ich muss so ein dummes Gesicht gemacht haben, dass sie mich fragte, ob sie mir helfen könne. „Wieso schneiden Sie das ab?“, wollte ich wissen, „soll man die Gräser nicht über den Winter zusammenbinden?“ Sie lachte. „Ja, die großen. Bei den dünnen Halmen macht das doch gar keinen Sinn, was sollen denn die schützen? Und im Frühling, da haben wir eh genug zu tun, also schneid ich es gleich ab, wenn ich schon bei dem Beet bin.“ Wieder was gelernt!
Ein paar Schritte weiter rupfte eine Frau Pflänzchen aus einem hübschen dichten Polster. Nur etwa jedes dritte, vierte Blattgewuschel fand Gnade vor ihren Augen, der Rest wanderte in den Kübel. „Was machen Sie da?“, fragte ich neugierig. Die Frau sprach nur schlecht Deutsch, doch „viele, nicht gut blühen, klein“ war durchaus verständlich. Sie dünnte die Plänzchen aus, denn wenn sie zu dicht beieinanderstehen, bleiben die Blüten klein. Logisch, aber meinereins würde es nicht übers Herz bringen, soviel Pflanzennachwuchs einfach zu entsorgen. Vielleicht würde ich mich auch dazu durchringen können, den Polster aufzulockern, dann aber jedes ausgezupfte Blättchen irgendwoanders eingraben und hegen und pflegen – kein Wunder, dass ich keinen Platz in meinem Garten habe.
Dank einer fröhlichen jungen Gärtnerin weiß ich jetzt, wie Erdmandeln aussehen. Mit viel Schwung stach sie die gräsernen Büschel aus und warf sie mit der Schaufel auf einen Anhänger, an den Wurzeln hängen die kleinen Knollen, die dann abgezupft und im Winter aufbewahrt werden. Im Frühjahr werden sie zu Schauzwecken wieder ausgepflanzt. Freilich könne man sie auch essen, aber sie sind steinhart und ihr schmecken sie nicht, erklärte sie mir. Dann gab sie mir noch den Tipp, meinen Vietnamesischen Koriander als Steckling zu überwintern, dann müsste ich ihn nicht die ganze Zeit im Topf halten. Sie machten das auch so. Das werde ich nächstes Jahr ausprobieren.
Bei meinem letzten Besuch sah ich eine Gärtnerin beim Eingang hantieren, gleich neben dem prächtigen Salbei, von dem ich mir kürzlich einen Setzling mitgenommen hatte (siehe Gartentagebuch 17. Oktober). Ich sauste hin und fragte sie nach der genauen Sortenbezeichnung, die ihr Kollege nicht gewusst hatte. Salvia leucantha, erfuhr ich (Samt-Salbei oder Mexikanischer Salbei, habe ich mittlerweile gegoogelt), leider nicht winterhart. „Aber Ihr Kollege hat gesagt…“, protestierte ich, „und bei Ihnen steht er ja auch im Freien!“ „Ja schon, aber unter dem Beet läuft das Warmwasserrohr für das Gewächshaus durch, deswegen macht das nichts.“ Mpfff! Warme Füße kann ich meinem Salbei leider nicht bieten, höchstens einen kuscheligen Laubmantel. Als sie meine Enttäuschung sah, tröstete sie mich, dass die Winter eh nicht mehr so kalt werden und dass mein Salbei durchaus Chancen hätte zu überleben, wenn ich ihn warm einpacke. Oder ich grabe ihn wieder aus und überwintere ihn im Haus. Na super, jetzt habe ich wieder was, worüber ich mir den ganzen Winter Sorgen machen kann. Ich will auch ein Warmwasserrohr!
Eure Flora