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Endlich reisen!

Zeit. Das Kostbarste, was wir haben. Und in der Pension haben wir endlich genug davon. Dachten wir.

Reisen. Ohne Aufpassen auf begrenzte Urlaubstage, ohne Rücksicht auf ebenso urlaubshungrige KollegInnen, ohne dass am Ende wieder das Büro wartet. Einfach los, wann immer wir wollen, und irgendwann wieder da sein. Dachten wir.

Also im Juli geht gar nicht. Marillen. Ich habe eine liebe Nachbarin, die uns früher im Urlaub den Garten gegossen hat, als wir noch der Kinder wegen unbedingt im Sommer wegfahren mussten. Im zweiten Jahr erwischte sie die Marillenzeit. Obwohl sie selbst massenweise einkocht und großzügig in der Anlage verteilt hat, war sie doch ziemlich überfordert. Im Jahr darauf planten wir zwei Wochen früher unseren Urlaub, damit wir die Haupternte übernehmen konnten. Prompt verschob sich die Blütezeit – zwei Wochen früher. Wir konnten den Marillen beim Reifen zusehen und dann flogen wir weg. Die Geschenke für die arme Nachbarin wurden immer großzügiger. Also Juli ist gestrichen.

Mai. So ein schöner Reisemonat! Nicht mehr zu kalt, noch nicht zu heiß, keine Hauptsaison. Leider ist es auch die schönste Zeit im Gartenjahr, jeden Tag etwas Neues. Das Gras wächst wie verrückt und muss mindestens einmal in der Woche geschnitten werden. Die Kübelpflanzen kommen raus und wollen gepflegt werden. Gemüse wird ausgesät und will gegossen, gedüngt und aufgebunden werden. Das Unkraut wuchert alles zu. Voriges Jahr waren wir im Mai auf Gran Canaria. Ein großartiger Urlaub und beim Heimkommen erwartete mich ein prachtvoller Garten („Einfach nur wow!„), aber ich hatte auch viel Schönes verpasst. Also Mai ist gestrichen.

Im letzten Juni machten wir die Gärtnereientour in Süddeutschland. Ein tolles Erlebnis, aber meine Tochter wurde wieder zum Gießen eingeteilt. Das tut sie auch vorbildlich, aber sonst greift sie im Garten nichts an. Nach zweieinhalb Wochen wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Heuer ist unsere Tochter im Juni noch mit ihrer Matura beschäftigt und nebenbei arbeitet sie schon und ich will nicht wieder die Nachbarin bemühen, die Dame wird ja auch immer älter. Also Juni ist gestrichen.

Nächste Woche fliegen wir nach Teneriffa, diese Kanareninsel kennen wir noch nicht. Fünf Stunden Flug sind uns zwar zuwider, aber wo sonst ist es im April schön warm? Obwohl ich mich sehr auf Sonne, Strand und Meer freue, fällt es mir doch schwer, mich von meinem Garten zu trennen. Jede freie Minute verbringe ich in meinem Paradies, habe auch schon Amaranth und Ackerwitwenblumen ausgesät, ein paar Stauden umgesetzt und das Gemüsebeet weitgehend vorbereitet. Hoffentlich regnet es, denn meine Tochter ist im Maturastress und hat keinen Kopf für Mutters Blümchen. Hoffentlich breitet sich nicht wieder zuviel Unkraut im Gemüsebeet aus, sonst kann ich von vorne anfangen. Hoffentlich halten es die Kübelpflanzen im Haus zwei Wochen ohne Gießen aus, sie treiben ja schon alle aus. Eigentlich gehören sie an wärmeren Tagen schon ins Freie. Ach ja, meine vorgezogenen Pflänzchen und den überwinterten Chili (es hat nur einer überlebt) muss ich auch noch meiner Tochter in die Wohnung bringen, die muss sie gießen. Ich fürchte, ich blockiere ihr damit die halbe Küche. Also April ist auch nicht grade ideal.

Ende August bis Mitte September in die Bretagne, das geht mit dem Garten, habe ich meinem Mann versichert. Aus heutiger Sicht stimmt das zwar, aber ich weiß jetzt schon, dass ich im August traurig sein werde. Weil Storchschnabel und Katzenminze ein zweites Mal blühen, weil die Rudbeckien ohne Wasser bald verkümmern, weil die Blumenwiese sich vom Schnitt erholt hat, weil die Salvien ihr Feuerwerk versprühen, weil…  mein Garten der schönste Platz der Welt ist. Und Mitte September ist es mit dem Wohnen im Garten meist vorbei.

Sobald ich unterwegs bin, spüre ich dann doch die Reiselust in mir erwachen und vergesse meinen Garten für einige Zeit. Ich liebe es, fremde Sprachen zu sprechen, neue Orte zu entdecken, einheimisches Essen zu probieren (bin schon gespannt, ob wir uns in der Bretagne endlich über die Austern drübertrauen). Es gibt noch so viele Gegenden, die wir gerne sehen wollen, und wir haben uns unser Leben lang auf Reisen in der Pension gefreut. Da sich die Wintermonate für die meisten Ziele, die uns vorschweben, nicht eignen, werde ich mich halt hin und wieder von meinem geliebten Garten trennen müssen, der überlebt das schon (und ich auch). Also manchmal komme ich mir echt kompliziert vor.

Eure Flora

Kaktusgarten auf Gran Canaria
Cap d'Antibes (Côte d'Azur)
Gärten von Schloss Trauttmannsdorff (Meran)

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